| |||||||||||||||||||||||||||||
Der Anruf erreicht mich beim Einkaufen an der Kasse bei Aldi: "Wo genau haben wir damals den Ball im Pitcher's Mound vergraben und in welcher Tiefe?". Ich kann heute den Jungs nicht beim Platzumbau helfen, weiß aber wovon unser zweiter Vorsitzender Karsten Stolz spricht. Durch die Verlegung des Infieldes um circa zehn Meter wird auch der alte Mound eingeebnet und an neuer Stelle aufgebaut. Als uns die Stadt Anfang der Neunziger Jahre die Genehmigung erteilt einen Baseballplatz zu bauen, erfüllt uns das mit Stolz. Es fließt Schweiß und auch Blut. Denn kurz vor der Vollendung des Feldes im Jahre 1991 fanden wir uns damals an einem lauen Sommerabend am Baseballplatz zusammen und feierten eine Art Richtfest. Stolz auf das Erreichtte und unter erheblichem Alkoholeinfluss kam irgendwer auf die Idee, wir müssten den neuen Platz in irgend einer Form weihen. "Wir vergraben einen Ball unter dem Mound", war die Idee eines Anwesenden. Doch das alleine wäre ja zu unfeierlich. Also beschloss man kurzerhand den Ball mit dem Blut aller Anwesenden zu tränken. Mittels einer extrem stumpfen Anstecknadel wurde jedem ein Tropfen Blut abgetrotzt. Nach diesem Aderlass wurde der Ball in einem feierlichen Fackelzug mit zwei Umrundungen des neuen Infields und unter seltsamen Voodoo-Gesängen unter dem Mound vergraben. Im Aldi werde ich schon komisch angeschaut, als ich über "Vergrabene" spreche und auf die Frage "Liegt er unter dem Schotter oder noch tiefer? Du warst doch auch dabei!", muss ich antworten "Ja, aber genauso besoffen wie Du!". Nach dem samstäglichen Kampf im Discounter meiner Wahl und der Schlacht gegen die Hausfrauen an der Metzgertheke, treibt mich die Neugier. Ich fahre zum Baseballplatz. "Wir haben ihn!" ruft man mir entgegen. Da liegt er vollkommen nackt, denn nach über zehn Jahren ist von den genähten Lederhälften nichts mehr übrig. Ich meine, dennoch einen Blutfleck erkennen zu können. Alle sind zufrieden und einig darin, "Ihn" auch wieder unter dem neuen Mound zu betten, um das Relikt nicht im Nirgendwo zwischen Homeplate und Pitcher's Mound der Vergessenheit preis zu geben.
|
|
| |||||||||||||||||||||||||||
© hezel & di carlo |