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[11.10.2007] Als der Michelstädter Lucas Turnwald vor fünf Jahren das erste Mal beim Training des Erbacher Baseballclubs Grasshoppers (Grashüpfer) vorbeischaute, war das eigentlich mehr zum Spaß. Die halbe Straße hatte damals angefangen, Baseball zu spielen, erinnert sich der heute Fünfzehnjährige. Also wollte es auch Lucas mal versuchen. Inzwischen gehört der Schüler zum festen Stamm der deutschen Jugendnationalmannschaft. Genau wie der gleichaltrige Kevin Kiehl, der ebenfalls bei den Grasshoppers trainiert und vor sechs Jahren durch seinen Bruder Danny zum Baseball kam. Thorsten Schnellbacher, der die Erbacher Jugend trainiert, ist stolz auf seine beiden Nationalspieler: Das ist ein Traum für jeden Trainer, wenn man solche Talente hat. Die reißen das ganze Team mit. Nicht nur, weil Lucas und Kevin keinen Übungstermin auslassen, oft sogar doppelt trainieren. Sie kümmern sich auch super um die jüngeren Spieler. Längst sind die beiden Vorbild für die Jüngsten im Verein. Von ihrem Sport sind Kevin und Lucas begeistert, haben schon vor geraumer Zeit Handball und Tennis für die amerikanische Massensportart aufgegeben, die hierzulande trotz inzwischen 35 000 Aktiver bundesweit noch immer eher eine sportliche Randerscheinung ist. Was Lucas und Kevin nicht stört im Gegenteil. Die Jungs finden das sogar cool: Fußball spielt doch jeder, Baseball ist mal was anderes. Lucas ist überzeugt: Der ganze Sport ist faszinierend. Und man kommt viel rum, weil es eben nicht in jedem Dorf einen Verein gibt. Selbst für normale Ligaspiele fahren die Grasshoppers bis nach Kassel. Nationalspieler wie Lucas und Kevin sind in ganz Deutschland und sogar im Ausland unterwegs. So verbrachte Kevin in den Sommerferien zwei Wochen in einem Trainingscamp in der Dominikanischen Republik, Lucas spielte derweil mit der Jugend-nationalmannschaft bei einem Freundschaftsturnier in der Türkei. Vormittags drei Stunden Training absolvierte Kevin in der Karibik, am Nachmittag standen Trainingsspiele auf dem Programm. Die Kumpels in der Schule finden es klasse, dass Kevin und Lucas sportlich so erfolgreich sind. Auch wenn die zwei oft nicht mit dabei sind, wenn eine Party gefeiert wird oder die Freunde am Wochenende etwas unternehmen. Baseball geht auf jeden Fall vor, da sind sie sich einig. Noch mehr als beim Fußball gilt auf dem Baseballplatz Aufgabenteilung. Kevins Positionen sind Middle Infield also das von den Bases, den sicheren Feldern, begrenzte mittlere Innenfeld und Pitcher: Als solcher ist es seine Aufgabe, dem Catcher den Ball zuzuwerfen und die harte Kugel damit ins Spiel zu bringen. Lucas ist hauptsächlich Catcher, muss also mit dem Handschuh den Ball fangen, den wiederum der gegnerische Batter (Schläger) fortzuschlagen versucht. Aber sonst spiele ich auch überall da, wo man mich braucht. Große Rivalität, wie man sie von Fußballclubs kennt, gibt es unter Baseballern nicht: Bei Turnieren geht es recht familiär zu, man kennt sich und feuert sich auch gegenseitig an. Und selbst an der Base, mitten im Spiel, wird schon mal kurz geplaudert. Der Weg in die Nationalmannschaft führte für die beiden Odenwälder über hartes Training und zahlreiche Auswahlspiele. So schafften sie es erst in die Hessenauswahl, dann ins deutsche Nationalteam. Anfang September gewannen Lucas und Kevin mit der Grasshoppers-Jugend in München die Deutsche Meisterschaft nachdem sie sich mit der Nationalmannschaft kurz zuvor schon bei der Europameisterschaft in Tschechien den fünften Platz gesichert hatten. Die Frage, die bei der Deutschen Meisterschaft am meisten gestellt wurde, war: Wo ist denn Erbach? erinnert sich Trainer Schnellbacher. Schließlich waren sonst nur Teams aus größeren Städten dabei.
Lucas und Kevin
sind sich ihrer Rolle als Repräsentanten der Kreisstadt durchaus
bewusst und gerne bereit, den Odenwald national wie international
würdig zu vertreten. Etwas mehr Unterstützung für
ihren Verein würden sie sich allerdings wünschen: Das
Spielfeld dürfte nach Einschätzung der jungen Sportler
besser sein auch, weil die erste Herrenmannschaft, in der
Kevin und Lucas bald dabei sind, kommende Saison in der zweiten
Bundesliga spielt. Wenn der Platz besser wäre, kämen
zu den Spielen auch mehr Leute. Und das wäre auch für
Erbach gut, ist sich Kevin sicher. Stattdessen habe es für
die Grasshoppers-Jugend noch nicht einmal Glückwünsche
von offizieller Seite für die Deutsche Meisterschaft gegeben. Kommenden Sommer werden die Grasshoppers wieder einen amerikanischen Trainer zu Gast haben. Das machen wir seit fünf, sechs Jahren so, sagt Schnellbacher. Und es bringt uns sportlich wirklich voran. Die Amerikaner sind meist Studenten, die die Grasshoppers einen Sommer lang trainieren. Untergebracht sind sie in einer Wohnung, die einem Vereinsmitglied gehört, der Baseballclub zahlt Wasser und Strom und stellt einen kleinen Bus als Fahrzeug zur Verfügung. Lucas Turnwald und Kevin Kiehl wollen auch in der kommenden Saison weiter an ihrer Baseball-Karriere basteln. Dann werden sie schon in der ersten Herrenmannschaft und damit in der zweiten Bundesliga spielen. Die erste Liga ist das nächste Ziel der beiden und sie wollen irgendwann auf jeden Fall mal ins Ausland. |
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© hezel & di carlo
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